
Presence ist Steven Soderberghs kühnes Experiment im Horrorgenre

- Die Kamera ist wie die Augen eines Geistes
- Der Zusammenbruch der Familie als Mittelpunkt der Erzählung
- Allmähliche Eskalation und Ablehnung von Mustern
Steven Soderbergh ist ein Regisseur mit einem beeindruckenden Portfolio, von starbesetzten Blockbustern bis hin zu Independent-Filmen. Sein neues Werk \
Die Kamera ist wie die Augen eines Geistes
Das erste, was dem Zuschauer in Presence auffällt, ist die Kameraführung. Soderbergh hat diesen Film unter seinem Pseudonym Peter Andrews gedreht, und er ist es, der für die innovative Herangehensweise an das Filmen verantwortlich ist. Fast der gesamte Film wird im Auftrag eines Geistes gedreht – eines unsichtbaren Geistes in dem Haus, in das die Familie gerade eingezogen ist. Der Zuschauer wird buchstäblich zu diesem Geist: Die Kamera gleitet frei durch die Räume, hält in Ecken inne oder schaut in die Gesichter der Bewohner. Durch diese Lösung fühlt man sich wie ein Beobachter des Lebens der Figuren, ohne in das Geschehen eingreifen zu können.
Das Fehlen von Standard-Kamerawinkeln und klassischen Schnitttechniken schafft eine besondere Atmosphäre der Klaustrophobie. Die Kamera durchdringt die Vorhänge, folgt den Figuren durch die Gänge, und lange, kontinuierliche Einstellungen verstärken das Gefühl der geisterhaften Unsichtbarkeit. Auch der Einsatz von Licht und Schatten spielt eine wichtige Rolle: Alltägliche Details wie ein flackerndes Spiegelbild oder eine leichte Luftbewegung auf einem Vorhang werden zu Vorboten der Gegenwart.
Der Zusammenbruch der Familie als Mittelpunkt der Erzählung
Die Handlung dreht sich um die Familie Payne, die in ein neues Haus in der Vorstadt zieht. Nach außen hin wirken sie wie eine perfekte Einheit der Gesellschaft: Mutter Rebecca (Lucy Liu) ist eine erfolgreiche Karrierefrau, Vater Chris (Chris Sullivan) ist ruhig und zuverlässig, der älteste Sohn Tyler ist der Star des Schulteams, und Tochter Chloe ist ruhig und verträumt. Doch unter dieser Fassade gibt es Risse: Rebecca versucht, die Geschicke ihres Sohnes zu lenken und lässt ihrer Tochter nur wenig Aufmerksamkeit zukommen; Tyler ist wütend und grausam zu Chloe; Chris versucht, alle zu versöhnen, doch er selbst distanziert sich zunehmend.
Chloe, die Protagonistin, erlebt einen tragischen Verlust – ihre beste Freundin ist kürzlich an einer Überdosis gestorben. Ihr Schmerz und ihre Isolation werden durch den ständigen Druck ihres Bruders und die Vernachlässigung durch ihre Mutter noch verstärkt. Ihre Verbindung zu einem Geist wird zum zentralen Rätsel des Films. Ob es sich um den Geist eines toten Freundes handelt oder um etwas Unheimlicheres. Der Film lässt diese Frage fast bis zum Finale offen. Die Rolle der Chloe wird von Callina Liang gespielt, die trotz ihrer geringen Erfahrung die innere Verletzlichkeit ihrer Figur vermittelt.
Allmähliche Eskalation und Ablehnung von Mustern
Soderbergh vermeidet die üblichen Horrortechniken wie plötzliche Schreie und viele blutige Szenen. Stattdessen schafft er eine Atmosphäre des schleichenden Grauens, indem er sich auf natürliche Dialoge, Geräusche und Beleuchtung verlässt. Die leichte Bewegung von Gegenständen, knarrende Dielen in der Stille, Schatten, wo sie nicht sein sollten – all das trägt dazu bei, den Zuschauer in eine Atmosphäre des Unbehagens einzutauchen.
Die Dialoge, die von Drehbuchautor David Koepp geschrieben wurden, enthüllen die Charaktere schrittweise und unaufdringlich. Wir erfahren mehr über die Traumata und Motivationen der Figuren durch ihre Alltagsgespräche als durch langatmige Expositionsszenen. So erinnert sich der Vater beispielsweise an seine religiöse Mutter und Chloe erzählt von ihren Erinnerungen an den Verlust ihres Freundes. Dies verstärkt den Effekt des Realismus und der Immersion.
Im letzten Drittel des Films beginnt die Präsenz jedoch an Kraft zu verlieren. Die abrupten Wendungen der Handlung und die Enthüllung einiger Geheimnisse wirken übereilt und vereinfacht, was die Spannung mindert. Außerdem wird nicht allen Charakteren genügend Zeit zur Entwicklung gegeben, was ihre Handlungen manchmal künstlich erscheinen lässt.
Themen wie Familie, Verlust und das Unbekannte
Auf einer tieferen Ebene erforscht der Film universelle Themen: Was bleibt, wenn eine Familie auseinanderbricht? Wie gehen Menschen mit Trauer und Unverständnis um? Presence verkörpert buchstäblich das Konzept des unsichtbaren Beobachters – derjenige, der die intimsten und schmerzhaftesten Momente des Lebens sieht, während er im Schatten bleibt.
Angesichts von Soderberghs Interesse am Paranormalen, das möglicherweise durch seine parapsychologische Mutter geprägt wurde, wird der Film noch persönlicher. Einzelne Szenen wirken fast bekenntnishaft, wie eine Meditation darüber, was mit der Seele nach dem Tod geschieht und was sie sich für die Hinterbliebenen wünschen könnte.
Ergebnisse
Presence ist sowohl ein gelungenes Experiment als auch ein zweideutiges Werk. Soderbergh spielt meisterhaft mit der Technik und bietet dem Publikum eine einzigartige visuelle Perspektive. Sein Ansatz zur Schaffung von Atmosphäre verdient Beifall: Der Zuschauer fühlt sich buchstäblich wie ein Geist, der die Zerstörung einer Familie beobachtet.
Das uneinheitliche Drehbuch und das Fehlen einer emotionalen Katharsis im Finale könnten jedoch einige Zuschauer enttäuschen. Dies ist kein Film für diejenigen, die Nervenkitzel oder eine rasante Handlung suchen. Aber für Fans von filmischen Experimenten und tiefgründigen psychologischen Geschichten wird Presence ein echter Fund sein.
Letztendlich bietet Presence, wie viele von Soderberghs Werken, den Zuschauern eine einzigartige Erfahrung, die Fragen aufwirft, die Fantasie anregt und uns dazu bringt, darüber nachzudenken, was es bedeutet, Teil einer Familie zu sein, und was übrig bleibt, wenn sie zerbricht.
Trailer für den Film Presence
Anwesenheit
IMDb-Bewertung: 6.5\nDauer: 1 Stunde 25 Minuten\nGenre: Drama, Horror / Schrecken\nOriginaltitel: Presence\nLand: USA\nRegie: Steven Soderbergh\nDarsteller: Lucy Liu, Julia Fox, Chris Sullivan, Callina Liang
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